Vor kurzem bin ich auf den Employee Net Promoter Score (eNPS) aufmerksam gemacht worden und wie dieser im Personalbereich angewendet wird. Ein interessantes Modell, das aber auch seine Tücken hat. Doch zunächst erstmal: Was ist dieser eNPS eigentlich?
Im Jahr 2003 veröffentlichte Frederick F. Reichheld im Harvard Business Review1 einen Artikel über eine Kennzahl, nein sogar DIE EINZIGE Kennzahl, die ein Unternehmen benötigt, um zu wachsen bzw. das eigene Wachstum vorauszusagen. Zusammen mit seinem Team von Bain Company entwickelte Reichheld den Net Promoter Score (NPS). Ein Score, welcher also das Unternehmenswachstum anzeigen soll und auf der „ultimativen Frage“ aufbaut:
„How likely is it that you would recommend X company to a friend or colleague?“ also: Wie sehr würdest du eine Firma X einem Freund oder Kollegen empfehlen?“. Die Befragten wählen auf einer Skala von 0 (auf keinen Fall) bis 10 (auf jeden Fall) aus, wie sehr sie eine Firma X weiterempfehlen würden. Die Werte 10 und 9 werden dabei als „promoters“ angesehen. Die Werte 7und 8 als „passives“ und alles darunter wird als „detrectors“ betrachtet.
Der prozentuale Anteil der „detractors“ wird nun vom prozentualen Anteil der „promoters“ abgezogen, weshalb ein Ergebnis von -100% (nur „detractors“) bis +100% (nur „promoters“) herauskommen kann.
So weit so gut.
Doch wie sinnvoll ist so ein Modell?
Kann ein Modell, welches auf einer Frage basiert wirklich zu qualitativen Aussagen führen, ob ein Unternehmen wachsen wird?
Der NPS steckte im Laufe der Zeit viel Lob aber ebenso viel Kritik ein. Ich persönlich halte es für schwierig eine Aussage zu Wachstum, was durchaus ein schwierig zu bewertendes Thema ist, anhand einer einzigen Frage zu treffen. Darüber hinaus konnten die Forschungsergebnisse Reichhelds von anderen Forschenden nicht repliziert werden2, was das statistisches Gütekriterium der Reliabilität klar verletzt und nicht gerade für die Ergebnisse von Reichheld spricht. Zudem gibt es noch den großen Unsicherheitsfaktor der Mitarbeitenden. Die Frage nach einer Weiterempfehlung ist sehr subjektiv. Wenn du selbst dein aktuelles Unternehmen blöd findest, aber weißt, dass dein Freund im Gegensatz zu dir da super reinpassen würde, empfiehlst du ihm es vielleicht doch, obwohl das Unternehmen eventuell Fehler macht.
Die Studie von Piotr Sedlak (2020) zum NPS auf die ich mich hier in diesem Blogartikel hauptsächlich beziehe, hält auch noch fest, dass der NPS einen kulturellen Einfluss hat. In den USA tendieren Mitarbeitende zu einer optimistischeren Bewertung als in Europa, wo Bewertungen eher bescheiden und weniger überschwänglich getroffen werden. Sedlak selbst untersucht dabei Mitarbeiterzufriedenheit anhand des eNPS bei dem lediglich die Hauptfrage leicht abgewandelt wird.
Sedlak zeigt anhand von drei polnischen Firmen, dass selbst wenn ein Mittelwert von 7,1 herauskommt, was ein durchaus akzeptables Ergebnis für ein Unternehmen ist, kann der eNPS negativ sein. Die qualitativen Interviews, die er in diesem Unternehmen führte, wiesen ebenfalls auf eine positive Meinung gegenüber der Firma hin. Die Aussagekraft des eNPS zur Mitarbeiterzufriedenheit muss also hinterfragt werden.
Natürlich liegt der Vorteil der Methode in der Simplizität und es mag ein guter Weg für ein allgemeines Stimmungsbild der Belegschaft einzuholen, zumal die Antwortraten sowohl bei Reichheld als auch bei Sedlak sehr hoch waren. Die Gründe für die einzelnen Bewertungen der Angestellten bleiben jedoch verborgen und ob anhand dieses Scores eine Wachstums- oder Zufriedenheitsentwicklung ablesbar wird, bleibt zu hinterfragen.
Quellen:
1 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14712543/