Wie lange dauert eigentlich so eine Einstellung von Personal und was kostet das? Denn schließlich gilt auch im Recruiting Zeit ist Geld. Also ist die "time to hire" auch ein Teil der "cost to hire". Eine leere Position nach einer Kündigung wieder zu besetzen, bedeutet in großen Unternehmen, dass die Kollegen einen ordentlichen Mehraufwand abfangen müssen und bei kleineren Unternehmen vielleicht sogar das Absagen ganzer Projekte, weil die Arbeitskraft einfach nicht vorhanden ist. Daher werfe ich heute mal einen Blick auf die Recruitingzeit und die Konversionsraten, die natürlich auch bares Geld wert sind.
Ich liebe Zahlen, Excel, dreidimensionale Koordinatensysteme mit Vektoren und mein Mathelehrer hat mich damals gefragt, ob ich wirklich was mit Marketing machen wolle. Er sah mein Talent verschwendet. Mein damaliger Berufswunsch war ein anderer. Ich wollte für Coca-Cola so eine geile Werbekampagne managen und habe mich für ein Wirtschaftswissenschaften Studium in Frankfurt eingeschrieben. (Nebenbei: Ich hasse Cola - wäre also nicht so ganz mein Job gewesen.)
Es kam natürlich etwas anders als geplant, denn während meines Studiums habe ich meine Leidenschaft für das Personalwesen entdeckt. Und in diesem Bereich gibt es einiges mit Zahlen (Personalcontrolling, Vergütung…), doch das Marketing hat mich auch nicht losgelassen. Somit versuche ich immer das Analytische mit dem hübschen Marketing zu verbinden.
Als mich Kai (Osthoff Innovations) ansprach, ob ich ihm nicht bei seiner „kleinen“ Challenge helfen könnte, sein Unternehmen in den nächsten 2 Jahren von 5 auf 20 Personen wachsen zu lassen, habe ich als Erstes durchgerechnet, was ihn das kostet... und zwar Zeit. Viel Zeit.
Zunächst spiele ich das für eine Person durch und nutze dafür die Rückwärtsinduktion aus der Spieltheorie (wenigstens für crazy Wörter war das Studium sinnvoll 😉). Die Zahlen sind völlig aus der Luft gegriffen, wenn nicht anders gekennzeichnet. Denn bei den meisten Unternehmen und bei den meisten Personalauswahlverfahren ist das je nach Stelle komplett unterschiedlich.
Für eine neue Einstellung benötige ich 3 Interviews von jeweils einer Stunde. Auf alle bereite ich mich mindestens eine halbe Stunde vor (Terminfindung, Lebenslauf nochmal lesen, etc). SUMME: 4,5 Stunden
Für 3 Interviewkandidaten benötige ich 10 Bewerbungen, die ich mir alle für 5 Minuten ansehe und die besten 5 davon lese ich intensiver für weitere 10-15 Minuten. Wer das nicht so oft macht oder nicht so viele Bewerbungen hat, wird sich vermutlich mehr Zeit nehmen. SUMME: mindestens 2 Stunden
Damit sind wir bei 6,5 Stunden, die ich nur für Screening und Interviews für eine einzige Einstellung benötige. Und die Zahlen sind positiv angenommen. Insgesamt gehe ich eher von mehr Zeit aus, da die 10 Bewerbungen ja auch eine gewisse Qualität haben müssen. Wenn ich 20 Bewerbungen bekomme, möchte ich vermutlich auch nicht mehr als 3 Interviews führen. Dennoch brauche ich 100 Minuten für die Erstdurchsicht.
Diese Stunden sind allein für die Personalauswahl notwendig. Die echte "time to hire" wird für gewöhnlich als Zeitraum zwischen Ausschreibung und Besetzung der Stelle ermittelt. Die Arbeitszeit, die hinter der Personalauswahl steht, ist somit zwar im weiteren Sinne eine time to hire, sollte allerdings in die cost to hire einfließen.
Kai habe ich also erklären müssen, dass er für die aktive Auswahl seiner neuen Mitarbeiter 15 Arbeitstage mit Lebensläufen, Interviews und Anschreiben verbringen wird. Zeit, in der er sich nicht um seine Kunden oder aktuellen Mitarbeiter kümmern kann. Glücklicherweise hat er sich über die Erkenntnis gefreut, denn jetzt war klar, wo er im Prozess ansetzen muss.
Der interessante Teil geht den Interviews bevor: Wie komme ich an 10 Bewerbungen auf meine ausgeschriebene Stelle?
Hier kommt die sogenannte Konversionsrate (engl. Conversion Rate) ins Spiel: Wie viele Personen müssen meine Stellenanzeige sehen, damit sich 10 Personen bewerben? Hier brauche ich bei einer Konversionsrate von 2%* 500 Personen, die meine Stellenanzeige lesen.
Damit mir keine Bewerber im Prozess verloren gehen, habe ich natürlich einen besonders schlanken Bewerbungsprozess und kann somit die Absprungrate von interessierten Kandidaten deutlich verringern. (ohne vorherige Registrierung, Ausfüllen von seitenlangen Bewerbungsbögen und anderen Zeit- und Nervenfressern)
Eine Stellenanzeige mit realistischen Erwartungen erhöht zusätzlich die Passung der Bewerbungen, was die Zeit für die Durchsicht verringert. Somit steht in meiner Jobbeschreibung und meinen Erwartungen an die Kandidaten so viel Interessantes wie nötig, dennoch so wenig wie möglich. Es nützt ja nichts, wenn Interessierte nach der Hälfte abbrechen zu lesen, weil die Anzeige schlicht zu lang ist.
Damit 200 Personen meine Stellenanzeige lesen, müssen sich 2000 Personen auf meine Karrierewebsite verirren und hoffentlich von den authentischen Inhalten so überzeugt sein, dass sie auch auf die Anzeige klicken. (25% Konversionsrate) Die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht sich, wenn die Stellen gut sichtbar platziert sind, denn schließlich ist der/die Suchende schon auf der Seite für die Jobs und Karriere.
Damit sich 2000 Personen auf meine Karrierewebsite bewegen, sollte diese auf all meinen Unternehmensauftritten sehr präsent sein. Insbesondere der Karrierebutton auf der Hauptnavigation meiner Homepage darf nicht fehlen. Sowohl in der Desktop- als auch in der mobilen Version dürfen – ja müssen - alle Besucher über Jobs stolpern, denn sie könnten ja potenzielle neue Mitarbeiter sein… immerhin haben sie schon Interesse am Produkt.
Um nun zum Faktor Zeit und time to hire zurück zu kommen: Wie lange benötigst DU, um 2000 Personen mit mindestens latenter Absicht, eine Bewerbung abzuschicken, auf Deine Karrierewebsite zu bekommen? Oder bei wenig Traffic auf der Karriereseite und gleichzeitigen Postings auf Jobbörsen: Wie lange dauert es, bis 500 Personen Dein Jobangebot angeklickt haben?
Hausaufgabe *stöhn*: Schau Dir doch mal Deine Konversionsraten an? Kannst Du diese auswerten? Wenn nein, was musst Du tun, damit Du das herausbekommst?
*https://wollmilchsau.de/glossar/personalmarketing-trichter/