Du hast eine gute Stellenanzeige geschrieben. Klar strukturiert, mit klarem Profil und einem echten Nutzen für deine potenziellen Bewerberinnen und Bewerber. Du hast vielleicht sogar intern Überzeugungsarbeit geleistet, warum dieser Aufwand sinnvoll ist. Herzlichen Glückwunsch!
Aber jetzt kommt der kritische Punkt: Was genau steht eigentlich drin?
Nicht im Sinne von „Wir suchen einen engagierten Teamplayer*in mit Kommunikationsgeschick“.
Sondern im Sinne von: Was macht diese Person wirklich jeden Tag?
Willkommen im nächsten Level der Recruiting-Ehrlichkeit: dem Realistic Job Preview (RJP). Und ja, das ist genau so wichtig, wie es klingt.
Eine Realistic Job Preview bedeutet, dass du den Job in der Stellenanzeige so realistisch wie möglich darstellst. Nicht nur die Highlights, sondern auch die Ecken und Kanten. Die Routinen. Die kniffligen Aufgaben. Die Momente, in denen man durchatmet und denkt: "Puh, das war anstrengend."
Jetzt höre ich dich denken: „Aber wenn wir das alles reinschreiben, bewirbt sich doch niemand!“
Stimmt nicht. Studien zeigen etwas anderes. Eine Metaanalyse von Earnest, Allen und Landis (2011) hat nachgewiesen: Wenn Menschen realistisch auf den Job vorbereitet werden, steigt die Zufriedenheit und die Fluktuation sinkt deutlich. Und zwar nicht nur kurzfristig, sondern besonders über längere Zeiträume.
Klingt gut? Ist es auch. Denn die richtigen Menschen bleiben. Und die falschen? Die bewerben sich erst gar nicht. Win-win.
Die Idee hinter dem RJP ist einfach: Wer mit echten Erwartungen startet, wird im Joballtag nicht enttäuscht. Wer hingegen mit einem Hochglanzversprechen gelockt wurde und dann im grauen Arbeitsalltag landet, fühlt sich getäuscht.
Die Folge: innere Kündigung oder echte Kündigung. Beides teuer. Beides vermeidbar.
Das US-amerikanische Office of Personnel Management hat in mehreren Studien belegt, dass realistische Jobinformationen das Vertrauen ins Unternehmen stärken noch bevor jemand den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Das wirkt sich positiv auf die spätere Bindung aus.
Oder anders gesagt: Ehrlichkeit schafft Verbindung. Und wer sich gesehen fühlt, bleibt eher.
Schon wieder ein Win für deine ehrliche Stellenanzeige!
Was oft als Risiko gesehen wird („Dann schreckt das ja ab!“), ist in Wahrheit dein bester Verbündeter: Die Selbstselektion der Bewerber*innen. Menschen entscheiden auf Basis realistischer Informationen, ob sie wirklich zu euch passen.
Du sparst dir Bewerbungsgespräche mit Leuten, die bei euch sowieso keine Freude hätten. Du vermeidest teure Fehlbesetzungen. Und du ziehst genau die Menschen an, die sagen: „Genau das will ich!“
Ja, auch wenn der Job manchmal stressig ist. Oder repetitive Aufgaben enthält. Oder wenig Glamour bietet.
Denn: Die richtige Person liebt den Job so, wie er ist.
Klar, das klingt jetzt alles schön theoretisch. Aber wie sieht das in der Praxis aus?
Hier ein erprobter Fahrplan, wie du den RJP-Ansatz direkt in deinen Stellenanzeigenprozess integrieren kannst:
Wenn du wissen willst, wie der Job wirklich ist, musst du mit denen sprechen, die ihn machen. Klingt simpel, wird aber oft vergessen.
Frag deine Kolleg*innen:
Und bitte: Lass dir echte Beispiele geben. Keine Floskeln. Sondern Alltag.
Wenn dein Fachbereich sagt: „Das können wir so nicht schreiben, dann bewirbt sich ja keiner“ dann ist das ein Gespräch wert. Vielleicht nicht nur über die Anzeige, sondern über den Job selbst.
Menschen wollen sich vorstellen können, wie ihr Tag aussehen würde. Du musst kein Drehbuch schreiben, aber ein paar lebendige Bilder helfen enorm.
Statt „Bearbeitung von Kundenanfragen“ lieber:
„Ein typischer Tag bei uns: Du bekommst morgens deine ersten Anfragen über unser Ticketsystem. Die meisten lassen sich schnell lösen, manche brauchen Rücksprache mit dem Tech-Team. Gegen Mittag kommt der erste Anruf eines nervösen Kunden. Du bleibst ruhig, klärst das Anliegen und bekommst am Ende ein Dankeschön per Mail.“
Klingt gleich ganz anders, oder?
Was macht diesen Job bei euch besonders? Gibt es Tools, die ihr nutzt? Einen automatisierten Prozess, den andere händisch machen? Oder ist der Unterschied eher kulturell?
All das gehört in eine gute RJP.
Aber genauso: Was ist wie überall. Auch das ist okay, solange du es offen kommunizierst.
Zum Beispiel:
„Ja, es gibt Excel-Listen. Nein, sie sind nicht fancy. Aber sie funktionieren. Und weil du mitdenkst, wirst du sie schnell so strukturieren, dass sie zu dir passen.“
Wenn ein Job zu 30 % aus Routine besteht, dann sollte das auch so in der Anzeige stehen. Nicht als Mangel, sondern als Realität.
Denn: Wenn diese Aufgaben verschwiegen werden, ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Und das schadet am Ende allen.
Lieber so:
„Klar, nicht alles ist spannend: Ein Teil deiner Zeit geht für wiederkehrende Reports drauf. Aber dafür weißt du, was dich erwartet und kannst deine Energie gut einteilen.“
Wenn du Formulierungen aus dem Fachbereich übernimmst, klingt der Text automatisch authentisch. Noch besser: Du sprichst die Sprache der Menschen, die du suchst.
Aber Achtung: Unbedingt prüfen, ob es sich um interne Kürzel oder wirklich branchenübliche Begriffe handelt. „KTK-Protokoll“ sagt draußen niemandem etwas – „Pflegebericht nach Tagesverlauf“ vielleicht schon.
Das ist übrigens auch für die Auffindbarkeit in KI wichtig! Nutze die Worte, die außerhalb deines Unternehmens genutzt werden. Interne Begriffe sucht niemand und versteht niemand.
Du brauchst noch Argumente für den Chef oder die Chefin? Bitte sehr:
Mit anderen Worten: RJP ist kein „Nice-to-have“. Es ist ein klarer Wettbewerbsvorteil – vor allem in einem Markt, in dem die passenden Leute nicht einfach auf Bäumen wachsen.
Stellenanzeigen, die nur die Sonnenseite zeigen, sind wie Tinder-Profile mit zehn Jahre alten Fotos. Sie erzeugen Erwartungen, die das echte Leben nicht erfüllen kann.
Eine Realistic Job Preview hingegen ist wie ein ehrliches Kennenlerngespräch. Sie zeigt, worauf sich Bewerber*innen freuen können, was sie tatsächlich erwartet und was sie mitbringen müssen, um sich wohlzufühlen.
Und ganz ehrlich? Genau das wünschen sich Menschen. Klarheit. Transparenz. Ehrlichkeit.
Also: Zeig den Job, wie er ist. Und vertraue darauf, dass sich die Richtigen dafür entscheiden.
Du willst bessere Stellenanzeigen schreiben?
Abonniere den Stellenanzeiger und werde jede Woche besser!
Versprochen!