Ich habe manchmal ein komisches Gefühl, wenn ich Stellenanzeigen lese. Irgendwie klingen die für mich alle gleich. Ich meine natürlich nicht komplett gleich, denn es geht ja durchaus um verschiedene Berufsbilder, aber so austauschbar. Dann stelle ich mir vor, wie diese Anzeige wohl zustande gekommen ist. Da sitzt die Geschäftsführerin einer kleinen Firma mit ihrem Kollegen zusammen und sie überlegen, wie die Stellenanzeige für den nächsten Softwareentwickler aussehen soll.
Beide beschäftigen sich selten mit dem Thema Personal, außer mit der Lohnabrechnung und den Verträgen am Anfang. Schließlich ist die Firma ein kleines Unternehmen, welches mit Studienkollegen und Freunden und Empfehlungen bisher sehr gut läuft. Jetzt soll jemand von außen her. Mit neuen Ideen, frischem Wind und super Können.
Aber wie? Die Lösung für solch ein Dilemma ist heutzutage: Das Internet. Es wird also nach anderen Ausschreibungen für Softwareentwicklern gesucht und die Stellenanzeigen kopiert und ein klein wenig im Layout und vielleicht noch im Bereich „Aufgaben“ auf das eigene Unternehmen angepasst. Dann wird es in exakt der gleichen Jobbörse gepostet, wo die anderen Anzeigen gefunden wurden und gewartet… und dann passiert es: Eine Bewerbung. Aber die passt leider so gar nicht zu dem, was eigentlich gesucht wurde. Doch was wurde denn EIGENTLICH gesucht?
Schön wäre es gewesen, die beiden hätten sich erstmal folgende Fragen gestellt:
Was suche ich?
Wen suche ich?
Das großartige an solch neuen Situationen ist die vollkommene Freiheit. Ich nutze für das Befüllen solcher grünen Wiesen gern das Alternativ-Rad von Sabine Asgodoms Methodenkoffer des Lösungsorientierten Kurzcoachings (LOKC®). An die Speicher der Räder darf alles geschrieben werden, was man sich für einen Kandidaten wünscht.
Die Frage nach dem Was ich suche, sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die jemand zum Ausfüllen der Stelle benötigt. So zum Beispiel die Ausbildung zum Informationstechniker und jetzt kommt noch was Verrücktes hinzu, denn ich kann mir bei der Übung ja alles wünschen, was ich will. Also hat mein Wunschkandidat anschließend Mediendesign und Softwareentwicklung studiert. Hat dabei wild Programmiersprachen gelernt, kann natürlich hervorragend Englisch und beherrscht agile Arbeitsmethoden aus seinem vorherigen Praktikum.
Die ebenso wichtige Frage nach dem Wen ich suche, würden viele allgemein unter Softskills verbuchen, doch ich meine hier ebenso das Bauchgefühl einmal aufs Papier zu bringen. Denn „er passte einfach nicht ins Team“ oder „sie war einfach nicht die Richtige“ entspricht in den meisten Fällen eher der Aussage „er oder sie entsprach nicht meinen unausgesprochenen Vorstellungen“. Und das Schöne ist doch, dass ich hier schonungslos ehrlich und kreativ sein kann und auch voller Vorurteile, denn dieses Blatt wird die Öffentlichkeit nicht zu Gesicht bekommen. Ja, ich darf hier schreiben, dass ich mir einen männlichen Kandidaten Mitte 40 mit Berufserfahrung bei Google wünsche, der in seiner Freizeit gern Star Trek schaut und meinen sarkastischen Humor versteht. Damit er wirklich ins Team passt, hat der Wunschkandidat auch Kinder und trinkt gern Kaffee. Und am besten wäre es, wenn er so ist wie Jan, denn den mögen alle. – Ja, diese Gedanken darf ich aufschreiben. Denn besser ich sehe sie mal auf dem Papier und merke, was ich mir in meinem Kopf als Entscheidungsgrundlage gelegt habe, als am Ende verwirrt zu sein, dass mir eigentlich kein Kandidat gut genug ist.
Jetzt höre ich schon die ersten Eignungsdiagnostiker schreien: Das geht doch nicht! Du brauchst eine vernünftige Analyse der Stelle und der Person… ja, das mag bei Unternehmen mit vielen offenen Stellen und vielen Bewerbern so sein. Aber jemand, die alle halbe Jahre mal eine Person einstellt, die wird sich damit nicht beschäftigen. Aber ein Blatt Papier mit ein paar Wünschen aufzuschreiben, das kann wirklich jeder.
Nun kommt natürlich der ganz wichtige ZWEITE SCHRITT: Alle diese Wunschantworten auf die Fragen Was suche ich und Wen suche ich bekommen Punkte zwischen 0 (total unwichtig) und 10 (super wichtig). Ab diesem Moment beginnt wieder eine kleine Selbstreflexion. Wie wichtig ist die Ausbildung vor dem Studium wirklich? Welche Programmiersprachen sind bei uns echte Voraussetzung und welche sind nur „nice to have“? Muss es unbedingt ein Mann sein und ist das Alter entscheidend, ob jemand ins Team passt?
Es ist unwahrscheinlich, dass jemand all seinen Wünschen eine volle 10 gibt, aber es ist wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein. Denn dann merke ich hoffentlich am Ende dieser Übung, was für mich wirklich wichtig bei einem Kandidaten ist und daraufhin kann ich auch bei den Anforderungen in meiner Stellenanzeige nochmal ordentlich nachschärfen. Da darf natürlich nicht drinstehen, dass man wirklich keine Frau sucht und bitte auch kein Wunschalter reinschreiben. (Vermutlich hatten diese Wunscheigenschaften keine 10 Punkte…) Aber das Wunschrad gibt Hinweise darauf, ob ich nicht manche Anforderungen weglassen kann, um den potenziellen Bewerbern den Druck zu nehmen alles können zu müssen. Andererseits kann viel klarer kommuniziert werden, was für die Stelle tatsächlich gebraucht wird. Diese Ehrlichkeit hilft, die wirklich passenden Kandidaten auf sich aufmerksam zu machen… und nicht die, die andere Unternehmen vielleicht auch suchen. Denn die haben vermutlich auch nur das Internet befragt. Das kennt deine Wünsche nur vergeblich genauso wie du selbst.